Sommeridiot

Dr. Ludger Fischer: „Sommeridiot – Eine viel zu katholische Jugend im Ruhrgebiet“
Idioten gibt es viele, auch in der Literatur: bei Dostojewski, bei Eckhard Henscheid, bei Tommy Jaud. Es gibt aber nur einen Sommeridioten. Beim ersten Sonnenstrahl im März zieht er seine kurze Hose an. »Du bist doch wohl kein Sommeridiot«, fürchtet seine Mutter. Er wächst in den Sechziger Jahren in Essen auf. Da durchleidet er seine Kindheit. Er findet sie viel zu katholisch. Irgendwann entwickelt er die bekloppte Idee, dass er bei seiner Geburt vertauscht worden sei. In Wirklichkeit sei er nämlich ein Spross der Krupp-Familie. Idiotisch! Sommeridiotisch!

Das Buch enthält 30 Fotos.

ISBN 978-3-947848-68-3, 240 S., 14,00€

Interview mit den Werdener Nachrichten vom 12.08 2022
Sommeridiot_im_Kloster_Saarn_WerdenerNachrichten24Maerz2023

Sommeridiot:
Freiwillig beten für Plätzkes Für Kuchen und Appeltate und Sahnetorte und Plätzkes
mussten wir nicht beten. Ommas süßes Gebäck war ohnehin göttlich.
Zum Ludgerusfest im September machte sie immer eine Waddische Appeltate.
Ihre Appeltate machte meine Omma nicht in einer tiefen Kuchenform, sondern auf einem Backblech.
Da kam zuerst Teig drauf, dann die Apfel-Rosinen-Zimt-Masse und da drauf legte sie rauten förmig schmale Teigstreifen. Die sahen aus wie das Gitter im Beicht stuhl, durch das ich meine mühsam zusammengelogenen Beichten aufsagte. Und ein paar Wochen vor Weihnachten, wenn auch die Engel ihre Backöfen anwarfen und der Himmel über Schuir ganz rot war, wurden Plätzkes gebacken. Vorwiegend Spritzgebäck. Spritzgebäck war das allerleckerste Gebäck. Ich durfte beim Backen helfen. Omma quetschte den Teig oben in den Fleischwolf rein, kurbelte und dann kam unten ein fast schon fertiges Plätzken raus. Ich durfte es abnehmen und gaaanz vorsichtig aufs Backblech legen. „Ganz dicht neben die anderen. Aber nicht zu dicht, die gehen ja noch auf.“ Und dann noch eins. Und dann noch eins. Und dann noch eins, bis das Backblech voll war. Das sah schon sehr schön aus!
Beim Sauber machen des Fleischwolfs fiel besonders in der Schnecke noch ganz viel Teig an, den ich ungebacken schlecken durfte. Göttlich! Und die sehr schön unregelmäßig gebackenen Plätzkes
– die, die hinten lagen, waren immer viel dunkler als die, die vorne lagen – durfte ich dann –
sparsam! – mit Schokolade bepinseln. Bis Weihnachten wären meistens keine Plätzkes mehr da gewesen, weil ich ja wusste, wo die versteckt waren und weil ich bis Weihnachten einfach nicht abwarten konnte. Irgendwo hatte Omma aber noch eine total geheimes Geheimversteck und aus dem kamen die Plätzkes, die wir am ersten Weihnachtstag verputzten. Am zweiten waren nämlich schon keine mehr da. Für die himmlischen Plätzkes von Omma hätte ich sogar freiwillig gebetet.

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